Brückenbefürwortende
“Ohne Brücke verlängert sich die Anfahrt zu meiner Arbeit, dadurch verliere ich zu viel Zeit.”
“Wenn die Fähren wegen Hoch-, Niedrigwasser oder zu starken Eisgangs nicht fahren können, muss ich weite Umwege über die Elbbrücken fahren. Das ist für mich nicht zumutbar.”
“Um in meinen Landkreis auf der anderen Seite der Elbe und der dort gelegenen Kreisstadt zu kommen, muss ich Eintritt bezahlen.”
Diese und ähnliche Argumente bekommt man von denjenigen, die eine Brücke befürworten, oft zu hören. Auf den ersten Blick sind sie eingängig und nachvollziehbar. Wenn andere einen Mangel erleiden, dann möchte man ihnen bei der Verbesserung ihrer Situation nicht im Wege stehen. Und so sagen sich auch manche, die auf die dritte Elbbrücke in unserer Region selbst gar nicht angewiesen sind, dass es so schlimm mit dieser Brücke ja gar nicht sei und man die Mitbürgerinnen in ihrem Wunsch nach einer dritten Brücke verstehen könne.
Gucken wir einmal genauer hin, wieviele Menschen aus der Gemeinde Amt Neuhaus, für die ja diese Brücke gebaut werden soll, und den linksseitigen Anrainergemeinden tatsächlich werktäglich auf sie angewiesen sind: Es geht um ein paar Hundert.
Wieviel Zeit benötigen die Schüler*innen und Pendler*innen tatsächlich, wenn sie über die Fähren fahren oder bei Ausfall die Brücken benutzen müssen? Um zu einem Fahrziel in der Region zu kommen, benötigen Sie auch in diesem Falle kaum mehr als 60 Minuten. Das sind Fahrzeiten, die nach Hamburg oder Schwerin Pendelnde auch benötigen. Wenn man bedenkt, wieviel Millionen Pendlerinnen werktäglich 60 Minuten und mehr zu ihrem Arbeitsplatz fahren, wieviele Zugausfälle und Zugverspätungen, Verkehrsstaus es gerade im Berufsverkehr in Großstädten gibt, dann haben es die Pendler*innen aus der Region selbst bei einem gleichzeitigen Ausfall der Fähren nicht schlechter. Nach Westen, Norden, Osten, wohin mehr Pendelnde aus dem Amt Neuhaus zur Arbeit fahren, benötigen sie keine Elbbrücke und in Richtung Süden gibt es zwei Elbbrücken.
Einen Grund für das private Interesse einer überschaubaren Zahl von Pelndenden nach etwas Zeitersparnis öffentliche Gelder auszugeben, sehen wir nicht.
Genauere Informationen dazu finden Sie unter folgenden Links:
Fahrzeiten über Fähren und Brücken im Amt Neuhaus
Wer pendelt denn da?
Und damit sind wir bei der zweiten Form der Brückenbefürwortenden: Den im Bleckeder Interessenverband „Förderverein Brücken bauen e.V.“ organisierten. Der Verein wurde 2012 ins Leben gerufen, um positiv für die Abstimmung über die Elbbrücke 2013 im Landkreis Lüneburg Stimmung zu machen. Wer sich Auf der Homepage dieses Vereins aufmerksam umguckt, wird entdecken, dass er die Kriterien eines Lobbyverbandes erfüllt. Gucken wir uns diesen Lobbyverband also einmal genauer an:
Hauptinitiatoren waren vornehmlich einflussreiche Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung des Landkreises Lüneburg, darunter auch der Bauunternehmer und zur Zeit der Grenzöffnung 1989 amtierende Bürgermeister von Bleckede, der erster Vorsitzender des Interessenverbandes wurde. Wohl aus ideologischen Gründen wird der Eindruck erweckt, der Sitz des Vereins liege in der Gemeinde Amt Neuhaus. In der Satzung ist dagegen vermerkt, dass er seinen Sitz in Bleckede hat: “Der Verein hat seinen Sitz in Bleckede und ist im Vereinsregister eingetragen”.
Exkurs Gewaltenteilung:
Als ein wesentlicher Eckpfeiler der Demokratie wird die Gewaltenteilung angesehen, also nicht die Konzentration der Staatsgewalt in einer Hand wie bei autoritären Regimen, sondern die Trennung der Staatsgewalt in gesetzgebende (legislative), ausführende (exekutive) und richterliche (judikative) Gewalt, die einander kontrollieren sollen.
Auf kommunaler Ebene wird der Kreistag zwar nicht der Legislative zugeordnet, sondern als Element der kommunalen Selbstverwaltung der Exekutive zugerechnet. Trotzdem übt er eine kontrollierende Funktion gegenüber der Kreisveraltung und ihrer Spitze dem Landrat / der Landrätin aus. Im Lobbyverband Brücken bauen e.V. bündelt sich die geballte Gewalt eines großen Teils der Lüneburger Kreispolitik aus Kreisverwaltung, Kreistag und elbnahen Gemeinden.
Einträchtig miteinander streben Kreisräte und Kreisrätinnen des Lüneburger Kreistags aus CDU, SPD und FDP (kontrollierende und beschlussfassende Instanz) mit Landrat, erstem Kreisrat (zuständig für die Brückenplanung) und Bürgermeistern (ausführende Instanz) in und mit ihrem Interessenverband „Brücken bauen e.V.“ nur eines an: den Bau einer Elbbrücke zwischen Darchau und Neu Darchau.
Wir müssen trotzdem darauf vertrauen, dass die Mitglieder des Kreistags den Land- und Ersten Kreisrat bei den Brückenplanungen angemessen kontrollieren, z. B. hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit und des Kosten-Nutzen-Verhältnisses der Elbbrücke. Können wir das?
Werden die Mitglieder des Lüneburger Kreistags eine Kosten-Nutzen-Analyse, eine Wirtschaftlichkeitsberechnung der dritten Elbbrücke in der Region beschließen und vom Land- und Kreisrat einfordern? Für Infrastrukturprojekte auf Kreisebene wären sie dazu gesetzlich nicht verpflichtet. Allerdings geht es um 70 bis 100 Millionen Euro. Sollen die ohne Wirtschaftlichkeitsberechnung ausgegeben werden? Das wäre starker Tobak. Und im Grunde genommen ist der Bau einer Brücke über die Elbe an der vorgesehenen Stelle Bundes- oder Landessache. Alle anderen Elbbrücken ab Magdeburg bis Hamburg sind Bundessache (Autobahnen oder Bundesstraßen).
Es ist sicher nur Zufall, dass es nach dem Stopp der Brückenplanungen in 2015 ein aus dem Landkreis Lüneburg stammender niedersächsischer Wirtschafts- und Verkehrsminister war, der 2019 den Lüneburger Kreispolitikern weitreichende finanzielle Unterstützung auf Kosten anderer niedersächsischer Kommunen und Landkreise zugesagt hat. Erst dadurch wurde die dritte Elbbrücke in der Region wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Denn der Landkreis Lüneburg hat das Geld für diese Brücke gar nicht.
Zur Argumentation des Lobbyverbandes Brücken bauen e.V.
Begründungen, warum eine dritte Brücke in unserer Region verkehrspolitisch notwendig ist, finden wir auf der Homepage nicht. Ausführungen zum Kosten-Nutzen-Verhältnis einer solchen Brücke, die bei einem deutlichen Überwiegen des Nutzens allein einen Bau rechtfertigen würde, finden sich ebenso wenig. Dafür finden wir Aufzählungen von Behauptungen, die nicht weiter begründet werden. Als Hauptgrund – wohl weil sich auf der sachlichen Ebene nichts findet – wird auf den ideologischen Bereich ausgewichen, die Einheit Deutschlands und die nur mit einiger Geschichtsklitterung herstellbare jahrhundertelange Zugehörigkeit des Amtes Neuhaus zum Landkreis Lüneburg. Aber das hat mit einer Brücke sowieso nichts zu tun. Vielleicht fragen sich die organisierten Brückenbefürwortenden einmal, warum zweimal (1936 und 1992) die verkehrspolitisch notwendige Brücke nicht zwischen Darchau und Neu Darchau, sondern bei Dömitz gebaut wurde. Da könnte es wahrscheinlich Gründe geben.
Weiterhin fällt an der Argumentation der Brückenbefürwortenden auf, dass sie den Begriff Fakten inflationär oft benutzen und gerne behaupten, die Fährenbefürwortenden würden diese Fakten nicht zur Kenntnis nehmen. Das ist so nicht richtig. Hinsichtlich der Fakten wären wir uns schnell einig, die sehen wir genauso wie sie. Wenn allerdings die Bezeichnung “Fakt” für Bewertungen, Prognosen, Vermutungen verwendet wird, dann gibt es Differenzen zwischen uns. Wir unterscheiden uns auch darin, dass wir uns bemühen alle Fakten in unsere Bewertung einfließen zu lassen, während die Brückenbefürwortenden für sie nicht genehme Fakten gern leugnen oder übersehen. Wenn sie z.B. den Wirtschaftsfaktor Tourismus für unsere Region nicht für wichtig halten, wenn sie die Umweltzerstörung und Belastungen der Menschen außer acht lassen, wenn die Zahl der von der Brücke Profitierenden nicht mit den Kosten ins Verhältnis gesetzt wird, ja, mit diesem verengten Blick kann die Fährenlösung verworfen werden und der Weg zu einer dritten Elbbrücke führen.