100 Millionen Euro für 10 Minuten Zeitersparnis
Beim Bau einer Elbbrücke Darchau – Neu Darchau würden die Elbquerenden auf dem Weg nach Lüneburg ca. 10 Minuten Zeit einsparen, so Gutachter Dössel von der GVS (Gesellschaft für Verkehrsberatung und Systemplanung), die das Verkehrsgutachten zum Bau der Elbbrücke erstellt hat.
Erwartet werden für 2030 2.530 Fahrzeuge, die täglich die Brücke queren, gegenüber 690 die heute die Elbfähre Tanja nutzen.
Vorgestellt wurden diese Zahlen auf der Sitzung des Lüneburger Betriebs- und Straßenbauausschusses am 01.02.2023 im Gebäude der SBU in Scharnebeck.
Neben der Vorstellung des Verkehrsgutachtens wurden auch der aktuelle Planungsstand angesprochen sowie in einem weiteren Tagesordnungspunkt als Beschlussvorlage zum Mehrjahresprogramm des Gemeindefinanzierungsgesetzes die aktuell vorgesehenen finanziellen Mittel für den Brückenbau.
Hier in Kürze die wichtigsten Aspekte:
- Das Schallgutachten (sollte Weihnachten 2022 fertig sein) ist noch nicht fertiggestellt. Es werde für Februar/März 2023 erwartet.
- Die Genehmigung für die Baugrunduntersuchungen von der Biosphärenreservatsverwaltung läge noch nicht vor. Deshalb könnten sie noch nicht durchgeführt werden.
- Einige weitere Expertisen (Fachbeitrag zur EG-Wasserrahmenrichtlinie, Hydraulische Nachweisführung für den Brückenneubau – Pfeilerstau – und die Auswirkungen des Eisgangs) stünden noch aus.
- Herr Seegers (SBU Lüneburg) zeigte sich trotzdem zuversichtlich, den Prozess der Planfeststellung im Juni 2023 abschließen zu können, so dass der Antrag auf Planfeststellung im Sommer gestellt werden könne.
- Zahlen zu den Brückenkosten wurden auf der Sitzung selbst nicht genannt, nur, dass sie auf Grundlage der aktuellen Baupreisindizes nach oben korrigiert werden mussten. Die Zahlen waren der Beschlussvorlage zum Mehrjahresprogramm (MJP) nach dem Niedersächsischen Gemeindefinanzierungsgesetz (NGVFG) zu ennehmen. Für die Jahre 2025 bis 2027 sind dort Gesamtkosten von 91,5 Millionen € aufgenommen (jeweils 30,5 Millionen € für die Jahre 2025 – 2027). Dieser Betrag ist immer noch eine Kostenschätzung mit einer Varianz von 12,5 %, keine verlässlichere Kostenrechnung. Und es kann sich auch nicht um die Gesamtkosten der Brücke handeln, da die von 1999 bis 2025 ausgegebenen Gelder nicht einbezogen sind.
- Für den Landkreis Lüchow-Dannenberg fallen bezüglich des Brückenbaus ab 2025 630.000 € (Restmittel der Kostenvereinbaung aus 2009) an.
- Auf den Landkreis Lüneburg entfällt nach der aktuellen Kostenschätzung ein Eigenanteil von 20,54 Millionen €. Bei diesem Kostenanteil sind nach der Bürger*innenbefragung des Landkreises aus 2013 50,5 % der Abstimmenden gegen den Brückenbau. Und vielleicht kommt die eine oder der andere, die unabhängig von den Kosten für diese Elbbrücke gestimmt hatten, heute ins Grübeln. Auch wegen der Klimakatastrophe und deren Folgen.
- Dem Bau dieser Elbbrücke werden auf kurze Sicht negative, auf lange Sicht aber positive Auswirkungen auf das Klima zugeschrieben. “Begründung: Die Maßnahmen, insbesondere der Neubau von Straßen, Brücken und Radwegen haben aufgrund der einhergehenden zusätzlichen Flächenversiegelungen und der einzusetzenden Baustoffe sowie des Maschinen- und Fahrzeugeinsatzes zunächst negative Auswirkungen auf die CO2-Bilanz. Mittel- bzw. langfristig sollen die Verbesserungen in der Infrastruktur Anreize zum Verkehrswandel schaffen.”
- Das ist eine Standardbegründung, der für Radwege gelten mag, für diese Elbbrücke im Biospärenreservat aber sicher nicht. Eine detaillierte Klimakosten-nutzenrechnung liegt nicht vor.
Fragen und Eindrücke, die sich während der Ausschusssitzung aufdrängten:
- 100 Millionen und mehr Euro für eine Elbbrücke, die den Nutzenden eine Zeitersparnis von 10 Minuten bringt, ist diese Ausgabe von öffentlichen Geldern zu rechtfertigen?
- Über die Elbbrücken in Lauenburg werden nach der Prognose der GVS für 2030 10.720 Kfz/24h rollen, über die Elbbrücke in Dömitz 6.150 und über die in Planung befindliche bei Darchau/ Neu Darchau 2.530 Kfz 24/h. Ab welcher Verkehrsfrequenz sollte sich eine Behörde fragen, ob ein Verkehrsprojekt noch im öffentlichen Interesse, also den Steuerzahlenden zuzumuten ist? Reichen zwei Elbbrücken und zwei Elbfähren in unserer Region nicht aus?
- Wurden die in das Mehrjahresprogramm eingestellten 91,5 Millionen Euro als so brisant empfunden, dass niemand sie auszusprechen wagte?
- Nach dem Niedersächsischen Straßengesetz hängt die Einstufung der öffentlichen Straßen von der Straßenbedeutung und nicht von der Verkehrsfrequenz ab. Die Landesstraße 232, die linkselbisch, von Altenmedingen kommend, bis rechtselbisch hinter Sückau zur Landesstraße 05 in Mecklenburg Vorpommern führt, hat die Bedeutung als überregionaler Verkehrsweg. Wenn nun ca. sieben Kilometer dieses überregionalen Verkehrsweges zur Kreisstraße umgewidmet werden, weil ein Landkreis Baulastträger für ein Brückenprojekt werden möchte bzw. muss, weil das Bundesland Niedersachsen keine verkehrspolitische Notwendigkeit sieht, geht da alles mit rechten Dingen zu? Einfach sieben Kilometer aus einer Landesstraße “ausschneiden”? Die Gutachter von der GVS haben sich redlich bemüht nachzuweisen, dass die Brücke von der Bedeutung her als Kreisstraße einzustufen sei. Überzeugt hat uns das nicht.
Unsere Bürgerinitiative Ja zur Fähre – Nein zur Brücke e. V. wird im Juni auf den Antrag zur Planfeststellung vorbereitet sein, damit alle vom Brückenbau Betroffenen fundierte Einsprüche abfassen können.